Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
26.08.2020

Was der Digitalisierungsschub fürs Handwerk bedeutet

Zur Bekämpfung der Corona-Krise wurden zahlreiche Maßnahmen zur Stärkung der Digitalisierung in KMU auf den Weg gebracht. Stephan Blank, Projektleiter KDH, erklärt im "handwerk magazin", wie Handwerksbetriebe davon profitieren können:
Taking his jewelry shop online

Zur Bekämpfung der Coronakrise wurden zahlreiche Maßnahmen zur Stärkung der Digitalisierung in KMU auf den Weg gebracht. Stephan Blank, Projektleiter des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk (KDH) erklärt im handwerk magazin, wie Handwerksbetriebe davon profitieren können:

Wie profitieren Betriebe von den Maßnahmen (der Bundesregierung, die Digitalisierung voranzutreiben)?

Für eine erfolgreiche Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft braucht es verlässliche Rahmenbedingungen. Die Voraussetzung dafür muss die Bundesregierung schaffen. Sie hat sich mit einem Bündel von Maßnahmen auf den Weg gemacht: Diese zielen unter anderem darauf ab, den Ausbau der digitalen Infrastruktur im Land voranzutreiben, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) über die Chancen der Digitalisierung zu informieren und bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten zu unterstützen. Hierfür stellt sie verschiedene Förderinstrumente bereit, damit unsere KMU auch künftig im internationalen Wettbewerb um Kunden und Fachkräfte wettbewerbsfähig bleiben.

Diese Unterstützung braucht es dringend, denn nach wie vor beklagen viele Handwerksbetriebe, vor allem im ländlichen Raum, dass die Breitbandversorgung nicht ausreicht, um Digitalisierung überall zu gewährleisten. Sie haben dann beispielweise nicht die Möglichkeit, digitale Vertriebskanäle oder das Internet der Dinge (IoT) zu nutzen, um Produkte und Dienstleistungen auch online beim Kunden zu platzieren.

Ein zentrales Förderinstrument des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) ist die Förderinitiative Mittelstand 4.0 mit bundesweit 26 Kompetenzzentren, die Anlaufstelle und Informationsquelle für die Digitalisierung von Unternehmen sind. Sie bieten kostenfrei und anbieterneutral Schulungen und verschiedene Veranstaltungsformate an, setzen Digitalisierungsmaßnahmen mit einzelnen Betrieben um und stellen sie als Leuchtturmprojekte für alle KMU zur Adaption zur Verfügung. Speziell für Handwerksbetriebe ist das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk (KDH) zentraler Ansprechpartner.

Darüber hinaus stellt die Bundesregierung weitere Förderungen für KMU bereit, um die digitale Transformation im Mittelstand zu ermöglichen und voranzutreiben. Mit „go-digital“ und dem erst kürzlich geschaffenen Förderprogramm „Digital Jetzt“ werden Beratungsleistungen sowie Investitionen in digitale Technologien und in die Qualifizierung von Mitarbeitern zur Stärkung ihres digitalen Knowhows gefördert.

Förderangebote wie diese sind eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass Handwerker sich intensiv um die Digitalisierung ihres Unternehmens kümmern können. Auch für den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) ist die Digitalisierung ein wichtiges Thema – mehr noch – ein zentraler Faktor, um die Wettbewerbsfähigkeit der über eine Million Handwerksbetriebe zu erhalten. Daher bringt sich der ZDH aktiv in die Ausgestaltung dieser Förderprogramme ein.   

Gleichzeit erarbeiten wir mit dem KDH kostenfreie und anbieterneutrale Digitalisierungsangebote und unterstützen gemeinsam mit den Digitalberatern unsere Handwerksbetriebe bei der Maßnahmenumsetzung und Beantragung von Fördermitteln.

Wie spielt der Aus- und Aufbau von Plattformen da hinein als ein weiterer Punkt im Paket. Wie bringen sie die Betriebe voran?

Der Onlinehandel wächst in Deutschland jährlich um etwa zehn Prozent und Plattformen sind in einer digitalen Welt nicht mehr wegzudenken. Sie bringen als Vermittler möglichst viele Anbieter mit möglichst vielen Kunden zusammen. Plattformgiganten wie Amazon, Google und Ebay etwa, bedienen gezielt die Kundenbedürfnisse und machen das Kauferlebnis bequem, günstig und unkompliziert. Der Kunde kann unabhängig von Geschäftszeiten einkaufen und bekommt seine Bestellung innerhalb kürzester Zeit zugestellt. Mit diesem Geschäftsmodell geht jedoch eine große Marktmacht einher und es kann schnell zu einer Monopolisierung führen. Und häufig haben kleine und mittlere Unternehmen – insbesondere aus dem Handwerk – hier im Onlinegeschäft das Nachsehen.

Online-Plattformen verfolgen mit ihren Geschäftsmodellen häufig die sogenannte „The-winner-takes-it-all-Strategie“. Den zum Teil aggressiven Verdrängungsstrategien dieser großen, rasch wachsenden und agilen Plattform-Anbieter, die oft Private-Equity-finanziert sind, kann der einzelne Handwerksbetrieb mit durchschnittlich fünf Mitarbeitern allein kaum etwas entgegensetzen. Wir sollten daher eigene Lösungen fürs Handwerk entwickeln und dabei auf sich wandelnde Märkte und Kundenbedürfnisse eingehen. Diese Plattformen müssen – wie auch die großen Plattformanbieter – skalierbar sein, um für alle Marktteilnehmer als relevant erachtet zu werden.

Aus diesem Grund sollten auch die Handwerksorganisationen – die digitalen Experten der Kammern, Verbände und Innungen – gemeinsam mit den Handwerksbetrieben Digitalisierungsstrategien und Lösungen für das Handwerk entwickeln. Außerdem müssen wir faire Rahmenbedingungen schaffen, um eine Monopolisierung durch handwerksfremde Marktakteure und Preis-Dumping zu verhindern. Der Markt muss für alle Teilnehmer gleichermaßen zugänglich und auch die kleinen Betriebe für alle sichtbar sein.

Wie können Plattformlösungen fürs Handwerk aussehen?

Plattformlösungen für das Handwerk sollten idealerweise nicht von einem Akteur allein, sondern in kollaborativer Zusammenarbeit entstehen und nicht an Branchengrenzen halt machen. Damit kann sichergestellt werden, dass sowohl gewerkespezifische als  auch gewerkeübergreifende Lösungen entstehen, von denen eine Vielzahl von Handwerksbetrieben gleichermaßen profitieren.

Über die klassische Vermittlungsplattformen können Betriebe online besser gefunden werden. Und solche Lösungsansätze gibt es auch bereits aus dem Handwerk für das Handwerk. Wer heute etwa neu in eine Stadt in Nordrhein-Westfalen umzieht und vor Ort einen Handwerker sucht, der findet auf der Plattform lokaleshandwerk.de etliche Handwerksbetriebe übersichtlich und transparent mit ihren Leistungen gelistet. Dadurch erleichtert das von neun Kreishandwerkerschaften gegründete Portal die Suche nach Innungsbetrieben enorm - und stellt dabei sicher, dass die Meisterbetriebe ihre Kundenbeziehungen selbst in der Hand behalten. Das ist ein wichtiger Punkt: Denn wenn Plattformen wie Amazon die Regie übernehmen und neben Produkten auch noch Montagen mitliefern sowie Subunternehmen aus dem Handwerkbereich dirigieren, entscheidet im Ergebnis ein US-amerikanische Plattformbetreiber, welcher Handwerker den Auftrag ausführen und wieviel seine Leistung kosten darf. Das gilt es zu verhindern.

Mit dem Digital Innovation Lab will das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk an genau solchen Lösungen arbeiten: digitale und passfähige Lösungen für Handwerksbetriebe, die für den Einzelnen nur mit hohem Aufwand und immensen Kosten verbunden wären, von denen aber viele Handwerksbetriebe profitieren können. In interdisziplinären Teams aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sollen handwerksrelevante, digitale Trendthemen beleuchtet und analysiert werden, um Lösungsansätze, Prototypen und Blaupausen für eine Vielzahl von Handwerksbetrieben zu entwickeln. Derzeit erarbeitet der ZDH gemeinsam mit dem KDH an dem Umsetzungskonzept des Digital Innovation Labs, das im März 2021 auf der Internationalen Handwerksmesse (IHM) präsentiert werden soll.

Welche Vorteile entstehen den Handwerkbetrieben über Künstliche Intelligenz (KI) und (Quantencomputing)?

Bei KI geht es vor allem darum, Daten zu erfassen, diese zu verarbeiten und intelligent zu nutzen. Um das zu gewährleisten, bedarf es u.a. Quantencomputing. Dafür schafft die Bundesregierung mit dem Konjunkturpaket nun die Rahmenbedingungen und erhöht das Investitionsvolumen für KI von drei auf fünf Milliarden Euro. Im Vergleich zu anderen Industrienationen ist dieses Investitionsvolumen jedoch eher gering. Länder wie die USA oder China investieren weitaus höhere Summen für die Entwicklung von KI-Anwendungen.

Erste Pilotprojekte, bei denen KI zum Einsatz kommt (bspw. die Einbindung von Chatbots in die Kundenkommunikation), setzen unsere Handwerksbetriebe bereits um und erhalten dabei tatkräftige Unterstützung vom KDH. Jedoch liegt in diesem Bereich der Digitalisierung noch viel ungenutztes Potenzial, was es in der nahen Zukunft zu heben gilt.

An dieser Stelle ist auch zu erwähnen, dass im Rahmen der Mittelstand-4.0-Förderung der Bundesregierung auch die Umsetzung von KI-Anwendungen unterstützt wird. Durch das KI-Trainer-Programm werden Unternehmer und Mitarbeiter im Umgang mit KI-Lösungen und in der Analyse von damit verbundenen Potenzialen für den Betrieb gezielt geschult. 

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