Strategien für Gründungen und Betriebsnachfolgen

Gegenüber der „Welt“ erklärt ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer die Strategien und Vorschläge des Handwerks, um Neugründungen und Unternehmensnachfolgen im Handwerk zu befördern und zu unterstützen. Hier finden Sie die vollständigen Zitate für den am 30. August 2019 erschienenen Beitrag sowie das ZDH-Positionspapier zum Thema: „Selbstständigkeit attraktiv gestalten - Gründungspolitik in Deutschland aus Sicht des Handwerks“ zum Download:
„Das Gründen eines Betriebes gehört zur DNA des Handwerks. Davon zeugen eine Million Betriebe in Deutschland. Sich selbstständig zu machen, ist für viele Handwerker Teil ihres Selbstverständnisses. Im Handwerk gilt: Gründungen sind nicht als Start-ups für die Kurzstrecke gedacht, sondern zielen von Beginn an auf Langlebigkeit: Wir im Handwerk gründen, um zu bleiben.“
„Doch leider nehmen auch im Handwerk – wie in der Gesamtwirtschaft - Gründungen in den letzten Jahren ab. Wenn wir aber immer weniger Betriebsgründer und immer weniger Nachfolger haben, schwächt das die Wirtschaftskraft Deutschlands insgesamt. In einzelnen Regionen droht schon jetzt eine Mangelversorgung mit handwerklichen Leistungen, wenn dort die Zahl an Gründungen und Betriebsübernahmen weiter zurückgehen sollte. Das dürfen wir nicht zulassen, sondern wir und auch die Politik müssen jetzt aktiv alles tun, damit es wieder zu mehr Gründungen und Betriebsübernahmen kommt.“
„Damit Gründungen gelingen und nachhaltig am Markt bestehen können, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Neugründer oder Betriebsübernehmer fachlich ausreichend qualifiziert und vorbereitet sind. Ganz zentrale Voraussetzung dafür ist, die berufliche Ausbildung und Weiterbildung in unserem Land zu stärken. Im Handwerk ist der Meisterbrief mit seiner intensiven fachlichen Ausbildung, ergänzt um pädagogische, kaufmännische und rechtliche Kenntnisse, die ideale Ausgangsposition für eine Selbstständigkeit.“
„Die Politik muss zielgerichtet auf die Förderung von Gründungen und Nachfolgen hinwirken. Das ist wichtig für die Wirtschaft, aber auch für die Gesellschaft insgesamt. Berufliche Selbstständigkeit muss wieder mehr gesellschaftliche Wertschätzung erfahren und attraktiv wirken. Neben der entsprechenden Wirtschaftspolitik sind dafür die unterstützende Ausrichtung von Steuer-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik unverzichtbar.“
„Menschen, die gründen, gehen ein hohes persönliches Risiko ein, übernehmen Verantwortung, leben gesellschaftliches Engagement. Sie schaffen Arbeitsplätze. Den Elan solcher Menschen darf man nicht durch ein Dickicht an Regelungen und Vorschriften bremsen und ihre Gründungsmotivation im Keim ersticken.“
„Gründungen und die Perspektive beruflicher Selbständigkeit müssen jungen Menschen wieder attraktiv erscheinen, denn nur dann werden sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Dafür muss ihnen früh ein Gefühl für Unternehmertum und unternehmerisches Denken vermittelt werden. Wir fordern ein reguläres Unterrichtsfach Wirtschaft/Unternehmertum an Schulen, um dadurch mehr Verständnis für wirtschaftliche Abläufe zu wecken und Einblicke in die Unternehmenswelt zu vermitteln. Für viele Jugendliche ist das nämlich leider ein völlig weißes Blatt. Durch Betriebspraktika und Modell-Gründungen im Unterricht könnten Jugendliche sehr anschaulich erfahren und erleben, was es heißt, einen Betrieb zu führen.“
„Jungen Menschen muss man - am besten durch eine frühzeitige berufliche Orientierung an allen allgemeinbildenden Schulen - verdeutlichen, dass eine abgeschlossene Berufsbildung ein ausgezeichnetes Fundament für eine berufliche Karriere als Unternehmerin oder Unternehmer legt. Die damit verbundenen Chancen stehen einer akademischen Laufbahn in nichts nach und müssen mindestens ebenso stark beworben werden.“
„Das Thema Unternehmensnachfolge liegt mir besonders am Herzen. Aufgrund der demografischen Situation werden in den nächsten Jahren rund 200.000 Betriebsinhaber altersbedingt einen Nachfolger suchen, zugleich geht die Zahl der potentiellen Übernehmer zurück. Erfolgreiche Betriebsübernahmen sind aber gerade heute wichtig, um attraktive Ausbildungs- und Arbeitsplätze und wertvolles Know-How zu bewahren.“
„Volkswirtschaftlich sind Übernahmen und Neugründungen als absolut gleichwertig zu betrachten. Deshalb müssen auch Betriebsübergaben aktiv gefördert werden. Nachfolgern darf man den Start in die Selbstständigkeit nicht durch allzu hohe bürokratische Hürden erschweren, die gilt es vielmehr aus dem Weg zu räumen und gesetzliche Vorgaben zu vereinfachen. Wir können uns auch nicht leisten, Unternehmensnachfolgen etwa durch Verschärfungen bei der Erbschaftsteuer oder weitere Gesetze zu erschweren oder ganz zu verhindern. Wir müssen Gründer und Nachfolger ermutigen und besonders auch im Steuerrecht entlasten, etwa bei der Unternehmenssteuer und der Umsatzsteuer-Voranmeldung.“
„Ob Neugründung oder Betriebsübernahme: Unternehmerische Erfahrung kriegt niemand in die Wiege gelegt. Aber es gibt hervorragende Beratungs- und Unterstützungsangebote für Gründungsvorhaben - im Handwerk kostenfrei bei den bundesweit über 900 technischen und betriebswirtschaftlichen Beratungsstellen der Handwerkskammern und Fachverbände. Sie helfen, einen Businessplan zu erstellen, unterstützen bei der Markterkundung, bewerten den Einsatz innovativer Technologien und anderes mehr.“
„Mit den Starter-Centern der Handwerksorganisationen unterstützen wir Gründerinnen und Gründer beim Start in die Selbstständigkeit. Sie finden dort Service aus einer Hand und Entlastung bei der Antragsbürokratie. Woran es derzeit noch hapert, ist die digitale Vernetzung der bei Gründungen relevanten Behörden auf Bund- und Landesebene. Insbesondere Gewerbeämter, Finanzämter, aber auch Arbeitsagenturen und Sozialversicherungsträger müssen dringend ihre Prozesse modernisieren. Da gibt es noch viel zu tun.“
„Wichtig nach einer Gründung ist auch ein wertschätzender Umgang seitens der Behörden. Bei der Durchsetzung von Vorschriften sollte man die Verhältnismäßigkeit wahren: Nun wahrlich nicht jedes unternehmerisches Versäumnis muss sofort mit einem Bußgeld geahndet werden, oftmals reicht der Hinweis darauf.“
„Was wir brauchen, ist eine flächendeckende und möglichst einheitliche finanzielle Förderung von Gründungen und Übernahmen. Die Vielzahl bisheriger Förderinstrumente zur Gründungsfinanzierung muss in jedem Fall übersichtlicher und transparenter werden. Die in einigen Bundesländern angebotenen Meisterprämien bzw. Gründungsprämien sind für das Handwerk ein erfolgreiches Instrument mit breiter Signalwirkung. Es braucht einen bundesweiten, gut ausgestatteten Meisterbonus!“
„Wichtig für Gründungs- und Nachfolgeinteressierte sind die fachkundige und neutrale Beratung und Begleitung, die gerade in der Anfangsphase auch zeitnah, kostenneutral und unbürokratisch erfolgen sollte. Der bürokratische Aufwand, der bislang allerdings notwendig ist, um in den Genuss des von Bund und Ländern unterstützten Angebotes der Handwerksorganisation für geförderte Beratungen zu kommen, ist unverhältnismäßig hoch. Das wirkt abschreckend und muss unkomplizierter werden. Reine Informations- und Sensibilisierungsaktivitäten können bislang gar nicht abgerechnet werden.“
„Was wir dringend brauchen, sind Nachfolgelotsen, die neben den Betriebsberatern bei den anzusprechenden Zielgruppen etwa in Schulen und Hochschulen das Thema Nachfolge kommunizieren, junge Menschen für eine Betriebsübernahme sensibilisieren und bestehende Unternehmen bei der Vorbereitung auf den Generationenwechsel unterstützen können.“