Zentralverband des
Deutschen Handwerks
Zentralverband des
Deutschen Handwerks
23.12.2019

Mittelständler finden keine Nachfolger mehr

Erfolgreiche Betriebsübernahmen erhalten nicht nur Arbeitsplätze, sondern schaffen oft neue und höhere Steuereinnahmen.

Die demografische Entwicklung fordert die deutsche Wirtschaft nicht nur in Bezug auf den sich verschärfenden Fachkräftemangel, sondern auch bei der Suche nach Betriebsnachfolgern für zahlreiche Unternehmen heraus. ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer äußerte sich am 23. Dezember 2019 gegenüber der FAZ.

„Um den demografischen Wandel zu meistern, sind Mittelstand und Handwerk zukünftig mehr denn je auf innovative und kreative Unternehmer angewiesen. Unser Land braucht dynamische und entschlossene Unternehmer mit guten Ideen, um sich als erfolgreicher Wirtschaftsstandort in Zukunft zu behaupten. Erfolgreiche Betriebsübernahmen erhalten nicht nur Arbeitsplätze, sondern schaffen oft neue und höhere Steuereinnahmen. Sie verhelfen der Wirtschaft zu einer höheren Dynamik, beschleunigen die notwendigen strukturellen Anpassungsprozesse und führen nicht selten zu neuen, innovativen Produkten und Leistungen, die für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft von hoher Bedeutung sind.
 
Das Gründen wie auch die Übernahme eines Betriebes gehören zur DNA des Handwerks. Davon zeugen eine Million Betriebe in Deutschland. Selbstständig zu sein, ist für viele Handwerker Teil ihres Selbstverständnisses. Doch leider nehmen auch im Handwerk – wie in der Gesamtwirtschaft - Gründungen in den letzten Jahren ab. Wenn wir aber immer weniger Betriebsgründer und immer weniger Nachfolger haben, schwächt das die Wirtschaftskraft Deutschlands insgesamt. In einzelnen Regionen droht schon jetzt eine Mangelversorgung mit handwerklichen Leistungen, wenn dort die Zahl an Gründungen und Betriebsübernahmen weiter zurückgehen sollte. Das dürfen wir nicht zulassen, sondern wir und auch die Politik müssen jetzt aktiv alles tun, damit es wieder zu mehr Gründungen und Betriebsübernahmen kommt. Die Politik muss zielgerichtet auf die Förderung von Gründungen und Nachfolgen hinwirken. Menschen, die gründen, gehen ein hohes persönliches Risiko ein, übernehmen Verantwortung, leben gesellschaftliches Engagement. Sie schaffen Arbeitsplätze. Den Elan solcher Menschen darf man nicht durch ein Dickicht an Regelungen und Vorschriften bremsen und ihre Gründungsmotivation im Keim ersticken.
 
Gründungen und die Perspektive beruflicher Selbständigkeit müssen jungen Menschen wieder attraktiv erscheinen, denn nur dann werden sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Handlungsbedarf sehen wir in der derzeit nicht hinreichenden Sensibilisierung und Aktivierung für das Thema Selbständigkeit insgesamt. Es braucht einen neuen Denkansatz: Selbständigkeit muss langfristig attraktiv gestaltet und in der Gesellschaft mit mehr Wertschätzung versehen werden. Dafür muss früh ein Gefühl für Unternehmertum und unternehmerisches Denken vermittelt werden. Wir fordern ein reguläres Unterrichtsfach Wirtschaft/Unternehmertum an Schulen, um dadurch mehr Verständnis für wirtschaftliche Abläufe zu wecken und Einblicke in die Unternehmenswelt zu geben. Für viele Jugendliche ist das nämlich leider ein völlig weißes Blatt. Unter anderem muss Gründungspolitik schon in den Kindergärten und Schulen beginnen. Zugleich müssen die Karrieremöglichkeiten der beruflichen Bildung mindestens ebenso stark beworben werden wie die akademische Laufbahn. Ansonsten drohen uns die Gründer und Übernehmer auszugehen.

Volkswirtschaftlich sind Übernahmen und Neugründungen als absolut gleichwertig zu betrachten. Deshalb müssen auch Betriebsübergaben aktiv gefördert werden. Nachfolgern darf man den Start in die Selbstständigkeit nicht durch allzu hohe bürokratische Hürden erschweren, die gilt es vielmehr aus dem Weg zu räumen und gesetzliche Vorgaben zu vereinfachen. Wir können uns auch nicht leisten, Unternehmensnachfolgen etwa durch Verschärfungen bei der Erbschaftsteuer oder weitere Gesetze zu erschweren oder ganz zu verhindern. Wir müssen Gründer und Nachfolger ermutigen und besonders auch im Steuerrecht entlasten, etwa bei der Unternehmenssteuer und der Umsatzsteuer-Voranmeldung.

Mein besonderer Dank gilt zum einem den vielen Unterstützern in der Handwerksorganisation, die die Betriebe bzw. die Übernehmer bei dem komplexen Nachfolgeprozess intensiv unterstützen. Zum anderen gilt er der Bundesregierung, die die Bedeutung des Themas Nachfolge nicht nur erkannt hat, sondern auch durch zielführende Maßnahmen aktiv angeht. Das ist zum Beispiel der Fall bei der Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums „Unternehmensnachfolge – aus der Praxis für die Praxis“, mit der ab 2020 Nachfolgemoderatoren gefördert werden.“

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