Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
03.08.2021

"Materialmangel kommt zunehmend bei Verbrauchern an"

"Kunden müssen wegen der Materiallieferengpässe länger auf einen Handwerker warten, auch wenn das natürlich von Fall zu Fall unterschiedlich ist", sagt ZDH-Präsident Wollseifer.
Bauarbeiter bringen Dachplatten innen an einer Decke an.

"Der Materialmangel bei wichtigen Rohstoffen und die damit einhergehende Preisexplosion kommen zunehmend bei den Verbrauchern an. Vor allem im Wohnungsbau droht ein Einbruch", so Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer im Gespräch mit Andreas Hoenig von der "dpa".

Materialknappheit

"Vor allem der Bau- und Ausbaubereich droht durch die Materialknappheit und Preisexplosion in eine Krise zu schlittern. Nicht nur Holz ist derzeit knapp und teurer, sondern alles, was man braucht, um ein Haus zu bauen oder zu renovieren und vieles mehr. Auch elektronische Teile für unsere Elektroniker und Kabel und all das fehlt. Das macht unseren Betrieben in diesen Bereichen im Moment ganz schwer zu schaffen.

Erhebliche Engpässe sehen wir nach wie vor bei bestimmten Metallen und Kunststoffen, zudem melden die Betriebe uns, dass auch Vorprodukte wie Schrauben langsam knapp werden. Auch in den nächsten Monaten wird die Versorgung mit den für die Elektrohandwerke wichtigen Halbleiterprodukten weiter problematisch bleiben.
 
Bauen wird teurer werden. Ich kann keine genaue Größenordnung nennen. Aber wir haben bei den verschiedenen Materialien in den letzten drei bis fünf Monaten Materialteuerungen von 20 bis 30 Prozent gehabt - bis hin zur Verdreifachung des Materialpreises bei einzelnen Gütern.

Preisexplosion

Im privaten Wohnungsbau droht die aktuelle Entwicklung eine Bremse für die Konjunkturerholung zu werden: Durch die Preiserhöhungen verteuern sich Bauten so stark, dass es auf die Kredite von Bauherrinnen und Bauherren ausstrahlt, und es zunehmend Finanzierungsengpässe gibt. Zudem führen die höheren Baupreise dazu, dass Förderprogramme zum Erwerb von Wohneigentum und für Sanierungen nur zu einem geringeren Anteil zur Finanzierung der Baukosten beitragen. Deswegen sollte die Politik hier dringend mit einer Erhöhung der Förderbeträge nachsteuern. Andernfalls droht ein Einbruch des privaten Wohnungsbaus und auch der klimapolitisch erforderlichen Sanierungsdynamik.
 
Bei bereits bestehenden Verträgen mit privaten Auftraggebern lassen sich diese Preissteigerungen natürlich nicht komplett an die Kunden weitergeben, aber bei Neuverträgen muss das bei der Kalkulation berücksichtigt werden, wenn die Betriebe nicht von vorneherein ein Minusgeschäft machen wollen. Da unsere Betriebe die Materialien nur so teuer beschaffen können, wie sie angeboten werden, hat das zur Folge, dass die dann produzierten Waren und Leistungen für die Kunden künftig deutlich teurer werden.
 
Die aktuelle Situation ist absurd. Unsere Betriebe haben volle Auftragsbücher, aber es lohnt sich in vielen Bereichen angesichts der derzeitigen Einkaufspreise für Material gar nicht, die Aufträge auszuführen. Denn die Betriebe wissen, dass sie dann ein Minus machen.
 
Produktionskapazitäten werden jetzt wieder aufgebaut, aber das dauert seine Zeit. Das geht nicht von heute auf morgen. Das Problem wird man langfristig in den Griff bekommen, aber eben nur langfristig. Wir haben mit der Bundesregierung Gespräche geführt, dass bei öffentlichen Vergaben in allen neuen Verträge Preisgleitklauseln enthalten sein sollen, damit bei öffentlichen Aufträgen die vom Betrieb nicht zu vertretenden erhöhten Kosten entsprechend weitergegeben werden können. Und wir haben eingefordert, dass es möglichst keine Vertragssanktionen bei Terminverzögerungen gibt, nur weil Produkte, die einbaut werden sollen, nicht verfügbar sind. Bei jetzt laufenden Verträgen benötigen wir außerdem einen gewissen Spielraum dafür, dass Preissteigerungen, die vorab nicht absehbar waren, zwischen Handwerksunternehmen und z.B. den Kommunen aufgefangen werden.

Lieferengpässe

Kunden müssen inzwischen wegen der Lieferengpässe noch länger auf einen Handwerker warten, auch wenn das natürlich von Fall zu Fall unterschiedlich ist. Unsere Betriebe tun da gerade ihr Bestes, damit sich das nicht oder nur in Maßen auf Kundenseite auswirkt. Im Gesamthandwerk liegt die durchschnittliche Auftragsreichweite derzeit bei 8,8 Wochen. Im Bau- und Ausbaubereich jedoch ist es so, dass man aktuell mit mindestens zehn und manchmal sogar bis zu 15 Wochen rechnen muss, bis ein Auftrag begonnen und abgearbeitet wird.

In den Katastrophengebieten sind zunächst einmal die Flutopfer dran, andere Kunden werden leider länger warten müssen. Den betroffenen Menschen und Betrieben muss möglichst schnell geholfen werden. Die Unternehmer zeigen sich da sehr solidarisch und priorisieren auch solche Fälle.

Noch dringlicher als bereits vor dem Hochwasser ist es, die aktuellen massiven Beschaffungs- und Preisprobleme bei Baumaterialien in den Griff zu bekommen. Die haben auch schon vor der Hochwasser-Katastrophe unsere Handwerksbetriebe ausgebremst, vor allem im Bau- und Ausbaubereich. Jetzt aber drohen sie, einen zügigen Wiederaufbau massiv zu behindern und zu verzögern – und da geht es nicht mehr darum, dass Termine oder Preiskalkulationen nicht eingehalten werden können, sondern darum, dass es möglicherweise nicht gelingt, für die Menschen in der Region so rasch wie möglich existenziell notwendige Lebensgrundlagen wiederherzustellen.

Soforthilfen

Schon jetzt ist klar: Die Soforthilfen, so wichtig und richtig sie sind, werden keinesfalls reichen, dafür ist das Ausmaß der Zerstörung zu gravierend und im wahrsten Sinne des Wortes fundamental. Ob bei den Straßen, bei den Gebäuden, bei der Telekommunikation: Überall ist das Fundament weggespült worden und vielfach nicht mehr vorhanden. Über weite Flächen ist es so, dass reparieren nicht ausreichen wird, um die Schäden zu beheben, sondern da müssen öffentliche Infrastrukturen gänzlich neu errichtet werden. Viele Betriebe sind in ihrer Existenz massiv gefährdet. Damit drohen Arbeits- und auch Ausbildungsplätze wegzufallen. Die werden aber gebraucht, um überhaupt in der Lage zu sein, dass sich diese Regionen wirtschaftlich wieder erholen.

Soforthilfen müssen zügig ankommen. Der Name sagt es doch schon: Soforthilfen müssen sofort helfen. Es darf sich keinesfalls wiederholen, was wir während Corona erlebt haben: Dass Novemberhilfen erst im März bei den Betroffenen waren. Wichtig ist es außerdem, dass Firmen Steuern und Sozialabgaben stunden können.  Außerdem muss es Wiederaufbauhilfen geben. Sie müssen mit richtig großen Beträgen unterfüttert werden, damit die Betriebe wieder ans Laufen kommen, und damit die Bürger, die ganz stark betroffen sind, wieder in die Normalität zurückfinden.

Einige Kolleginnen und Kollegen sind vom Ausmaß der Schäden sicherlich so getroffen, dass sie ihren Betrieb vermutlich nicht mehr weiterführen können. Sie sind desillusioniert, nochmal bei Null anfangen zu müssen. Hier müssen wir Mut machen. Und es wird auch viele geben, die sich schütteln und sagen: Wir machen weiter, wir schaffen das. Auch hier braucht es Unterstützung, schnell und unbürokratisch."

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