"Kein Auszubildender soll unversorgt bleiben"

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks
Foto: ZDH/Boris Trenkel
„Im Handwerk sehe ich uns auf einem guten Weg, dass in diesem Jahr wieder mehr junge Menschen eine Ausbildung beginnen“, sagt ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer gegenüber Andreas Niesmann vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Wie Schulabgänger ohne Lehrstelle jetzt noch fündig werden können, und wie Auszubildenden in den Flutgebieten über eine „Ausbildungsbörse“ geholfen werden soll, dazu gibt Wollseifer Auskunft.
Herr Wollseifer, das Jahr 2020 war ein schlechtes Ausbildungsjahr, erstmals seit der Wiedervereinigung ist die Zahl der abgeschlossenen Lehrverträge in der gesamten Wirtschaft unter eine halbe Million gesunken, auch im Handwerk waren die Zahlen rückläufig. Wird das Ausbildungsjahr 2021 ein besseres?
Im Handwerk sehe ich uns auf einem guten Weg. Bis Ende Juni sind schon jetzt deutlich mehr neue Ausbildungsverträge abgeschlossen worden als vergangenes Jahr. Wir liegen um gut 13 Prozent über dem Vorjahreswert. Ich bin daher zuversichtlich, dass 2021 besser wird. Allerdings braucht es weitere Anstrengungen, um an die Vor-Coronazeit anzuknüpfen. In der Handwerksorganisation geben wir in den kommenden Wochen noch einmal alles, um weitere junge Menschen für eine berufliche Ausbildung zu gewinnen. Ziel ist es, am Jahresende wieder auf Vor-Corona-Niveau zu landen.
Betriebe und Jugendliche kommen häufig nicht zusammen. Woran liegt das, und was kann man dagegen tun?
Ausbildungsplätze gibt es im Handwerk ausreichend. Ende Juni waren noch rund 31.000 unbesetzt. Es fehlt an den Bewerbern. Während Corona hat das „Matching“ nicht so geklappt, also das persönliche Kennenlernen. Ohne Ausbildungsmessen, Betriebsbesuche und Praktika war das kaum möglich. Aber es hat auch mit dem schon seit Jahren feststellbaren Trend zum Studium zu tun und dem fehlenden Wissen darüber, dass das Handwerk absolut vergleichbare Karriere- und Ausbildungsmöglichkeiten wie ein Studium bereithält. Das muss in der Berufsorientierung an den Schulen, gerade auch Gymnasien, viel stärker vermittelt werden.
Wie sehr erschwert die Corona-Pandemie in diesem Jahr ihre Bemühungen?
Ohne ausreichend Präsenzunterricht, Jobmessen, Praktika fehlt es vielen Jugendlichen schlicht an Informationen. Daher haben wir vom Handwerk den „Sommer der Berufsbildung“ angestoßen. Gemeinsam mit den Partnern der Allianz für Aus- und Weiterbildung informieren wir noch bis in den Oktober bei Aktionstagen, Sommercamps, Workshops über die ganze Vielfalt und die Optionen einer beruflichen Ausbildung mit der klaren Botschaft: Wer eine Ausbildung anfängt, hat eine gute Zukunft. Im Handwerk jedenfalls sind junge Menschen, die Zukunft gestalten wollen, genau richtig. Energie- und Mobilitätswende, Klimaschutz, SmartHome und E-Health: All das setzen Handwerkerinnen und Handwerker um. Die Arbeit wird ganz sicher nicht ausgehen.
Es gibt Befürchtungen, dass die Hochwasser-Katastrophe die Ausbildungsbilanz in diesem Jahr erneut verhagelt. Teilen Sie die?
Wir tun alles, damit in den Flutgebieten keine Ausbildung ins Leere läuft. Aktuell wird eine Art „Ausbildungsbörse“ aufgebaut, über die Auszubildende aus zerstörten oder stark von der Flut betroffenen Betrieben in andere Handwerksbetriebe vermittelt werden, um dort ihre Ausbildung fortzusetzen oder zu beginnen. Es gibt bereits Betriebe, die solche Auszubildenden übernommen haben. Kein Handwerks-Auszubildender soll unversorgt bleiben!
Was raten Sie jungen Menschen, die jetzt noch nach einer Lehrstelle suchen?
Informiert Euch unter www.handwerk.de: Dort werden die mehr als 130 Ausbildungsberufe vorgestellt, zusammen mit einem Lehrstellenradar, das auch die offenen Ausbildungsplätze anzeigt. Oder ruft direkt bei den Handwerkskammern, Zentralfachverbänden, Kreishandwerkerschaften und Innungen an. Dort haben wir Ausbildungsberater, die weiterhelfen und auch den Kontakt zu Betrieben herstellen.