Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
19.06.2020

Innovativ, erfolgreich, zukunftsorientiert: Chefinnen im Handwerk

ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke sprach mit der "Süddeutschen Zeitung" über die Chancen für Frauen im Handwerk.
Brauerin ist hier beim Biertesten zu sehen.

Am 21. Juni 2020 setzt der Nationale Aktionstag zur Unternehmensnachfolge durch Frauen ein Zeichen: „Nachfolge ist weiblich!“. Die Süddeutsche Zeitung hat bei ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke nachgefragt, wie die Chancen für Frauen im Handwerk aussehen.

Das Handwerk gilt als „männerdominiert“. Welche Zukunft haben Frauen als Chefin?

Ausgezeichnete! Als Unternehmerinnen sind Frauen im Handwerk auf dem Vormarsch. Statistisch steht in jedem fünften Handwerksbetrieb eine Frau an der Spitze. Chefinnen finden sich in allen 130 Handwerksberufen, allerdings bevorzugen Frauen immer noch deutlich häufiger kreative und dienstleistungsnahe Gewerke. Etwa die Hälfte aller weiblichen Inhaberinnen machen sich im Friseurhandwerk, im Maßschneiderhandwerk oder im Kosmetikerhandwerk selbstständig. Dabei eröffnen sich für Frauen gerade jenseits der traditionellen Muster zukunftsträchtige Perspektiven.

Mit dem digitalen Wandel werden die körperlichen Belastungen geringer, zugleich steigen die Chancen, mit neuen Ideen für frischen Wind zu sorgen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die Entwicklung vorangeht. Heute schon werden 204.178 Handwerksbetriebe von weiblichen Inhaberinnen geführt. Noch nie gab es mehr Chefinnen im Handwerk! Und in den nächsten 10 Jahren stehen rund 200.000 Handwerksbetriebe zur Betriebsübergabe an. Dieses Potential gilt es zu nutzen.

Stehen Frauen im Handwerk vor besonderen Herausforderungen, wenn sie ein Unternehmen gründen? Wie können Frauen gefördert werden?


Frauen gründen anders. Auch wenn sie sich als Gründerin oder Nachfolgerin genauso intensiv wie ihre männlichen Kollegen mit der Businessplanung beschäftigten müssen und dabei ebenso erfolgreich sind. Zahlreiche Studien belegen, dass Frauen häufig andere Gründungsvoraussetzungen mitbringen, anderen Strategien folgen und andere Schwerpunkte setzen. Handwerkskammern und Fachverbände bieten deshalb zunehmend spezielle Beratungsangebote für Frauen. Das ist ein entscheidender Schritt.

Wir wollen Frauen ermutigen und ihnen aufzeigen, dass sie überall im Handwerk erfolgreich sein können. Und wir wollen sie darin bestärken, einen Betrieb zu übernehmen und zu führen. Neben der klassischen Fortbildung zur Meisterin bereiten auch Weiterbildungen im kaufmännischen Bereich z.B. zur Betriebswirtin im Handwerk oder duale Studiengänge auf die Selbstständigkeit vor. Als hilfreich erweisen sich zudem Mentorinnen-Programme, die Gesellinnen beim Aufstieg zur Meisterin begleiten und gezielt auf ihre Rolle als Führungskraft oder Unternehmerin vorbereiten. Nicht zuletzt nehmen viele Frauen den Austausch in Netzwerken von Unternehmerinnen und weiblichen Führungskräften, wie z.B. dem Verband der Unternehmerfrauen im Handwerk, als bereichernd und wertvoll wahr.

Letztlich kommt es jedoch darauf an, dass wir in der Gesellschaft umdenken. Handwerkerinnen kämpfen vielfach noch gegen veraltete Klischees, dabei gehört ihnen als Chefinnen im Handwerk die Zukunft.

Das hört sich an, als gäbe es noch viel zu tun.


Ja, Frauen schöpfen ihr Potential als Unternehmerin noch nicht in allen Bereichen im Handwerk aus. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir Mädchen stärker ermutigen, ihre Berufswahl jenseits starrer Rollenmuster zu treffen und schon in der Berufsorientierung damit beginnen, das Berufsbild der Unternehmerin zu vermitteln.

Um Rollenmuster zu ändern, braucht es langen Atem. Das Handwerk ist selbst sehr aktiv und unterstützt gesellschaftliche Initiativen, wie z.B. „Klischeefrei“ oder „Komm‘ Mach MINT“ sowohl auf Bundes- als auch Landesebene. Und tatsächlich verändern sich die Muster in zahlreichen Berufen, zwar langsamer als wir das wünschten, aber doch stetig. Raumausstatter*innen, Augenoptiker*innen und Bestatter*innen bilden beispielsweise inzwischen mehr Frauen als Männer aus. Auch bei den Orthopädietechniker*innen und Orthopädieschuhmacher *innen sind fast die Hälfte der Auszubildenden weiblich. Zu den Top 10 der Ausbildungsberufe bei Mädchen und jungen Frauen gehören Kraftfahrzeugmechantroniker*in, Tischler*in und Maler- und Lackierer*in.

Wichtig ist, dass wir Handwerkerinnen sichtbarer machen. Junge Frauen brauchen Vorbildern, an denen sie sich orientieren können und die ihnen zeigen, dass Frauen ihre handwerklichen Talente, technischen Interessen und Führungsqualitäten im Handwerk entfalten können. Ebenso wichtig sind Entwicklungsangebote, die den weiblichen Nachwuchs gezielt fördern und Frauen in ihrem Aufstiegsverhalten stärken. Nur so können wir gut qualifizierte Frauen an das Handwerk binden. Erfolgreich sind vor allem die Betriebe, die Chancengleichheit in der Unternehmenskultur verankern und gendersensibler kommunizieren. Die Handwerksorganisation unterstützt sie darin.

Darüber hinaus müssen wir weiter an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen arbeiten: Das geht von der Stärkung der Wertschätzung der dualen Bildung über den Ausbau der Kinderbetreuung bis hin zur aktiven Gründungspolitik. Das Handwerk lebt Vielfalt, Innovation und Kreativität, alles Attribute, die es für Frauen attraktiv machen sollten.

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