Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
26.03.2021

„Impfen, Impfen, Impfen – das muss jetzt die Devise sein“

„Impfen, Impfen, Impfen – das muss jetzt die Devise sein“, so ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer im Interview mit der „Deutschen Handwerkszeitung“.
Mann mit Mund-Nasen-Schutz wird gegen Corona geimpft.

„Wir machen Druck, endlich den Impfturbo zu zünden. Impfen, Impfen, Impfen – das muss jetzt die Devise sein“, so ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer im Interview mit Karin Birk und Steffen Range von der „Deutschen Handwerkszeitung“.

Die Politik fordert, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern kostenlose Schnelltests jede Woche anbieten. Was halten Sie davon? Müssen Mitarbeiter sich testen lassen? Lässt sich das umsetzen?

Das Handwerk als Teil der Wirtschaft übernimmt auch hier gesellschaftliche Verantwortung. Viele Betriebe testen bereits. Jeder Betrieb hat ein Interesse daran, Ansteckungen zu vermeiden, aber das alles muss auch umsetzbar sein. Außerdem: Testungen sind sicherlich ein wichtiges Instrument, um einen realistischen Überblick über die Pandemieentwicklung zu erhalten und Öffnungen epidemiologisch vertretbar zu handhaben. Aber sie können nur eine flankierende Brücke sein. Entscheidend, um die Pandemie endlich hinter uns lassen zu können, ist und bleibt das Impfen: so schnell, so breit wie möglich, unter Einsatz aller verfügbaren Kräfte und möglichst 24/7. Deshalb machen wir Druck, endlich den Impfturbo zu zünden. Impfen, Impfen, Impfen – das muss jetzt die Devise sein. Leider sind wir noch nicht so weit. Bis dahin brauchen wir eine Brücke, um das Infektionsgeschehen unter Kontrolle und gleichzeitig unsere Betriebe am Laufen zu halten. Da bleibt uns aktuell nur: öfter und umfassend zu testen. Deshalb appellieren wir an unsere Betriebe, ihren Beschäftigten, wo immer möglich, Selbst- und Schnelltests anzubieten, um frühzeitig Infektionen zu erkennen und Infektionsketten zu durchbrechen nach dem Motto: Wir testen, damit alle gesund bleiben! Politik und Verwaltung jedoch sehen wir in der Pflicht, beim Impfen jetzt wirklich voranzukommen.

Ganz nach dem Motto: Gut gemeint, ist noch lange nicht gut gemacht?

So ist es. Wir können uns in einer solchen Ausnahmesituation und mit Blick auf die wieder steigenden Infektionszahlen wirklich keinerlei Verzögerungen leisten: sei es durch einen übervorsichtigen Impfbürokratismus, sei es durch Wochenendschließungen. Da sind Flexibilität, Kreativität und einfach machen angesagt. Oder denken Sie an die diversen Hilfsprogramme. Die Hilfen sind oft nicht zielgenau, die Hürden zu hoch und die Antragstellung über die Steuerberater zu kompliziert. Ich kenne Fälle, in denen die Betriebe nach vielem Hin und Her den Hürdenlauf der Beantragung geschafft und Anträge gestellt haben, aber die immer noch keinen Cent gesehen haben. Und ich sage es nochmal: Die Blockade des Finanzministers gegenüber einer deutlichen zeitlichen Ausweitung des Verlustrücktrags ist für mich völlig unbegreiflich. Er hat eine große Chance vertan, tausenden von Betrieben zu helfen. Viele Betriebe hätten dann die Liquidität, die sie brauchen, um die nächsten Monate zu überleben.

Ist auch im Handwerk mit einer Insolvenzwelle zu rechnen?

Das können wir derzeit nicht quantifizieren. Drohende Insolvenzen werden uns ja nicht gemeldet. In unseren monatlichen Umfragen sehen wir aber, dass viele Betriebe mit deutlichen Umsatzeinbußen zu kämpfen haben. Oft mehr als 50 Prozent. Da kann man sich ausrechnen, wie lange man das durchhält. Wir haben Betriebsinhaber, die, um ihren Betrieb zu retten und ihre Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, schon eine Hypothek auf ihr Haus aufgenommen haben oder an ihre Altersvorsorge gegangen sind. Das ist schon sehr bedrückend.

Das macht es für viele Betriebe auch deutlich schwerer, junge Leute auszubilden.

Ich mache mir große Sorgen um die Fachkräftesicherung durch die berufliche Ausbildung. Schon im vergangenen Jahr hatten wir unter der Pandemieeinwirkung einen deutlichen Einbruch der Neuvertragszahlen um rund 10.600 Verträge oder rund 7,5 Prozent, in der Gesamtwirtschaft waren es sogar um die 11 Prozent. Und die Zahlen zu Jahresbeginn können nicht beruhigen, sondern spiegeln die große Verunsicherung und Zurückhaltung bei Jugendlichen, deren Eltern, aber auch unseren Betrieben wider. Wir müssen also alles tun, um genügend Fachkräfte auszubilden. Es war deshalb richtig und wichtig, dass die Politik ihr Programm „Ausbildungsplätze sichern“ deutlich nachgebessert hat. Mit der nun verlängerten Förderung der Ausbildungsprämie bis Mitte Februar 2022 und mit der Verdopplung des Förderbetrags erhalten die Handwerksbetriebe die dringend notwendige Anerkennung, an Ausbildung festzuhalten und auch in der Pandemie fortzusetzen.

Wird das reichen, oder was ist zu tun?

Das Bundesprogramm ist in jedem Fall hilfreich, aber es entbindet die Politik nicht davon, bereits heute den Grundstein für eine langfristige Fachkräftesicherung durch berufliche Ausbildung zu legen und die berufliche Ausbildung stärker und gleichwertig zur akademischen Ausbildung zu fördern. Damit aus der Corona-Krise keine Ausbildungs- und als Folge davon keine Fachkräftekrise wird, hat das Handwerk der Bundeskanzlerin und der Bundesbildungsministerin den Vorschlag gemacht, dass alle Berufsbildungsakteure gemeinsam einen „Sommer der Berufsbildung“ initiieren. Die Idee: Alle Akteure der beruflichen Bildung sollen ihr Engagement intensivieren und Aktionen starten, um Jugendliche für eine duale Berufsausbildung zu begeistern und zu gewinnen. Denkbar wären betriebliche Praktika und Sommercamps, in denen Jugendliche auf eine Ausbildung vorbereitet werden können. Wir brauchen eine solche konzertierte Aktion für die berufliche Bildung. Denn Ziel für dieses Jahr muss es sein, die Ausbildungszahlen zumindest zu halten. Sollten wir das nicht hinbekommen, hätte das nicht nur Folgen für die jungen Leute, die keine Ausbildung erhalten. Auch für die Betriebe, denen die Fachkräfte fehlen. Und für die Gesellschaft, die ohne die qualifizierten Fachkräfte irgendwann nicht mehr ausreichend mit guten Produkten und Dienstleistungen versorgt werden kann. Hierzu stehen unsere Ausbildungsbetriebe im Handwerk bereit, um auch während der Corona-Pandemie berufliche Einstiegschancen und darüber hinaus langfristige Beschäftigungsperspektiven zu ermöglichen.

Hoffen wir, dass wir die Pandemie bald hinter uns lassen. Wie muss eine Post-Corona-Strategie für den Neustart der Wirtschaft, für den Neustart des Handwerks aussehen?

Eine solche Strategie muss das Wachstum der Wirtschaft in den Vordergrund stellen. Unternehmen und Beschäftigte müssen wieder Luft zum Atmen haben. Steuern und Sozialabgaben müssen so sein, dass Betriebe wirklich prosperieren können und nicht erdrückt werden. Das gilt auch für die Bürokratie. Sozialabgaben dürfen keinesfalls mehr als 40 Prozent betragen, das ist schon die Schmerzgrenze. Wir dürfen nicht zulassen, dass bis 2040 - wie prognostiziert - die Sozialabgaben auf bis zu 50 Prozent anwachsen. Das wäre für Arbeitnehmer und Arbeitgeber fatal. Handwerk muss sich auch in Zukunft weiter lohnen, gerade auch für unsere Beschäftigten, die mehr netto im Portemonnaie verdienen. Gift für eine gute wirtschaftliche Entwicklung sind auch die hohen Strompreise, die wir immer stärker zu spüren bekommen. Das wird ein richtiges Problem, insbesondere für die stromintensiven Gewerke. Und nicht zuletzt hat die Pandemie gezeigt, wie schlecht wir noch immer bei der Digitalisierung etwa in Schulen oder der öffentlichen Verwaltung sind. Das alles müssen wir in den Blick nehmen.

Für dieses Jahr sind die Sozialversicherungsbeiträge noch bei 40 Prozent festgeschrieben. Was müsste passieren, dass eine weitere Stabilisierung gelingt?

Wir müssen gesamtgesellschaftliche Aufgaben auch gesamtgesellschaftlich finanzieren. Das gilt für die Krankenversicherung genauso wie für die Arbeitslosenversicherung und andere Bereiche der Sozialversicherung. Nehmen wir beispielsweise die Regelung, dass einer in der Familie krankenversichert und der Rest der Familie mitversichert ist. Natürlich wollen wir als Gesellschaft Kinder, aber dann müssen wir auch gesamtgesellschaftlich dafür einstehen. Oder nehmen wir Zahlungen für ALG-II-Bezieher. Hier müsste der Staat seinen Zahlungsverpflichtungen besser nachkommen.

Der Finanzminister macht eher den Eindruck, dass er noch mehr Geld ausgeben will. Die Sozialdemokraten kündigen schon jetzt Steuererhöhungen für die „oberen fünf Prozent“ an. Muss das den typischen Handwerker erschrecken?

Es ist eine Grundsatzfrage: Steuererhöhungen sind Gift für die Weiterentwicklung der Betriebe, ob groß oder klein. Von daher sollte man davon absehen. Wir brauchen im Gegenteil intelligente Lösungen in der Steuerpolitik. Auch wenn ich im Verdacht stehe, gebetsmühlenartig immer das Gleiche einzufordern. Wir brauchen eine Thesaurierungsrücklage, die funktioniert. Wir brauchen eine Gleichstellung von Personengesellschaften mit Kapitalgesellschaften, damit Handwerker nicht mehr Steuern zahlen als große Konzerne. Betriebe müssen investieren können. Dann setzen sie mehr um. Dann beschäftigen sie mehr Menschen. Dann bezahlen sie auch mehr Steuern. Nur so wird ein Schuh daraus.

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