Handwerkermangel in Deutschland

Das Interview ist am 11. September 2019 erschienen. Nachfolgend finden Sie die vom ZDH freigegebene Fassung.
Warum muss man in Deutschland meist so lange auf Handwerker warten?
Leider haben wir in Deutschland nicht mehr ausreichend viele Handwerker, um all die Aufträge abarbeiten zu können. Und glauben Sie mir: Unsere Betriebe lassen ihre Kunden nur sehr ungern warten. Aber da sie kein Personal finden, kommt es zu den langen Wartezeiten.
Es gibt also zu wenig Handwerker in Deutschland?
Richtig. Offiziell sind bei der Bundesagentur für Arbeit 160.000 unbesetzte Stellen im Handwerk gemeldet, wir gehen aber von einer viel höheren Zahl von mindestens 250.000 offenen Stellen aus. Denn viele Betriebe melden das der BA gar nicht mehr.
Warum will denn keiner mehr Handwerker werden?
Nun, es gibt zwei Hauptgründe: Zum einen nimmt die Zahl der Schulabgänger wegen der demografischen Entwicklung ab. Zum anderen spüren wir jetzt im Alltag die Folgen des jahrzehntelangen Bildungsglaubenssatzes, dass Abi und Studium der berufliche Königsweg sind. Da haben sich immer weniger für eine berufliche Ausbildung entschieden. Ich kann junge Menschen allerdings nur ermuntern, ins Handwerk zu kommen: Die Berufsaussichten sind so glänzend wie noch nie mit gutem Verdienst und der Möglichkeit, schon jung einen Betrieb zu übernehmen und sein eigener Chef zu sein.
Was kann ich als Verbraucher tun, um schnellstmöglich an Handwerker zu kommen?
Viele Betriebe entscheiden bei Aufträgen danach, wie gut sie den Kunden bereits kennen und wie dringlich es ist. Beispiel Dachdecker: Wenn nach einem Sturm das halbe Dach abgedeckt ist, dann hat das natürlich Vorrang. Wenn jemand sein Dachgeschoss ausgebaut haben möchte, dann braucht das schon einen längeren Vorlauf. Die Suchfunktionen auf den Internetseiten vieler Handwerkskammern und Kreishandwerkerschaft bieten die Möglichkeit, schnell Betriebe mit hoher fachlicher Kompetenz zu finden.
Welche Handwerker (also welcher Bereich) sind besonders stark ausgelastet?
Wegen des aktuellen Baubooms sind die Gewerke, die damit zu tun haben, besonders stark ausgelastet. Das sind zum Beispiel Dachdecker, Maurer, Installateure, Maler und Fliesenleger. Die Bau- und Ausbaugewerke haben momentan so viele Aufträge, dass sie absehbar bis zum Jahresende ausgelastet sind. Die Nachfrage nimmt voraussichtlich sogar noch eher zu als ab.