Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Deutschen Handwerks
30.03.2020

"Es geht um die nackte Existenz unserer Betriebe"

Die Betriebe müssten in die Lage versetzt werden, durchzuhalten, fordert ZDH-Präsident Wollseifer im Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung.

Die Betriebe müssten in die Lage versetzt werden, bis zum Ende dieser Krise zu überleben und durchzuhalten, fordert ZDH-Präsident Wollseifer im Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung. Das Interview führte Andreas Herholz.

Herr Wollseifer, der Ruf nach einer Lockerung der Corona-Beschränkungen wird lauter. Braucht es jetzt eine Exit-Strategie, damit die Wirtschaft wieder anlaufen kann?

Ganz aktuell geht es erst einmal darum, die nackte weitere Existenz unserer Betriebe mit ihren Beschäftigten und Azubis zu sichern. Die Betriebe müssen in die Lage versetzt werden, überhaupt bis zum Ende dieser Krise zu überleben und durchzuhalten. Je mehr Betriebe das schaffen, desto besser werden wir es dann auch hinbekommen, nach der Krise wieder geordnet in ein normales wirtschaftliches und gesellschaftliches Leben zurückzufinden. Die Betriebe müssen unbedingt zahlungsfähig bleiben. Deshalb konzentrieren wir uns darauf, den Betrieben zu genügend Liquidität zu verhelfen. Dafür kämpfen wir und die gesamte Handwerksorganisation unterstützt die Betriebe nach besten Kräften darin. Uns allen in Politik und Gesellschaft muss klar sein: Nur wenn wir den Betriebsbestand weitestgehend am Leben und bisher funktionierende Marktstrukturen aufrecht erhalten können, ist überhaupt die Grundlage dafür da, aus dieser Krise auch wieder in eine Normalität zurückzukehren.

Bundeskanzlerin Merkel warnt vor zu großer Eile. Für die Lockerung der Beschränkungen sei es noch zu früh…

Die Entwicklung ist zurzeit derart dynamisch, dass alle nur auf Sicht handeln können. Längerfristige Planungen sind momentan ein Ding der Unmöglichkeit, weil ehrlicherweise niemand weiß, wie genau die Situation in einer oder zwei Wochen sein wird.

Wie sehr ist das Handwerk von der Corona-Krise betroffen?

Die Corona-Krise hat das Handwerk mit gewaltiger Wucht und in der ganzen Breite getroffen. Alle Gewerke sind betroffen, natürlich einige noch stärker als andere. Der direkte Kundenkontakt gehört für die meisten Handwerker zum Geschäftsmodell: Wenn jetzt die Kontakte drastisch verringert werden oder im Fall von Betriebsschließungen sogar ganz auf Null gefahren werden, dann geht das bei vielen Betrieben schnell an die Substanz. In der Regel haben Handwerksbetriebe Rücklagen für rund vier Wochen. Deshalb ist es so wichtig, dass sie rasch und unbürokratisch die nötigen Hilfen erhalten und zahlungsfähig bleiben. Aber es ist auch ganz wichtig, dass die Kunden ihnen die Treue halten und jetzt nicht Aufträge stornieren, die auch unter den beschlossenen Kontaktbeschränkungen noch ausgeführt werden können wie beispielsweise eine schon seit Längerem vereinbarte Autoinspektion. Zunehmend hören wir davon, dass die Öffentliche Hand Aufträge ohne zwingende Gründe storniert. Damit gibt sie in dieser Extremsituation das genau falsche Signal. Die Verwaltungen sind Vertragspartner mit Vorbildfunktion und dürfen nicht ohne Weiteres vertragsbrüchig werden – das ist mit Blick auf die Konjunktur und auch das Herauskommen aus der Krise wichtig.

Bundestag und Bundesrat haben ein milliardenschweres Hilfspaket auf den Weg gebracht. Sind das die richtigen Maßnahmen auch für das Handwerk, um die Krise zu überstehen?

Kurzarbeitergeld, Steuerstundungen, aber ganz besonders die Liquidiatätshilfen setzen an den richtigen Stellen an. Allerdings ist Papier geduldig. Das von der Politik in Rekordtempo beschlossene Hilfspaket muss jetzt auch mit Rekordtempo auf die Straße gebracht werden. Nur wenn die Hilfen schnell bei den Betrieben ankommen, können sie wirken. Das Allerwichtigste ist daher Schnelligkeit, und zwar Schnelligkeit bei Beantragung und Auszahlung. Und bei noch einem Punkt muss nachgebessert werden. Aktuell ist vorgesehen, die direkten Zuschüsse des Bundes auf Betriebe mit maximal 10 Beschäftigten zu beschränken. Das muss dringend auch Betrieben mit mehr als 10 Mitarbeitern möglich sein, wenn man will, dass das mittelständische Rückgrat des Handwerks in der Zeit nach der Krise weiter stark und stabilisierend tätig sein kann.

Es gibt bereits Klagen, dass die Hilfen nicht schnell und unbürokratisch geleistet werden. Was erwarten Sie von der Politik?

Ja, solche Klagen höre ich auch von einigen Betrieben. Einige in den Verwaltungen und Banken haben offenbar noch nicht in den Krisenmodus umgeschaltet und agieren nach altbekannten Mustern. Das geht nicht. Ungewöhnliche Zeiten verlangen auch danach, gewohnte Pfade zu verlassen. Alle Beteiligten sind jetzt aufgerufen, dafür zu sorgen, dass es so schnell, so unbürokratisch und so einfach wie möglich für die Betriebe ist, an die Hilfen zu kommen, damit wir alle diese Krise überstehen.

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