Eine Ausbildung im Handwerk: auch für Frauen attraktiver denn je

Warum eine betriebliche Ausbildung im Handwerk auch für Frauen attraktiver denn je und die Rolle von „Ausbilderinnen“ so wichtig ist, hat ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke mit Margit von Kuhlmann vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) erläutert.
Immer weniger junge Menschen beginnen eine betriebliche Ausbildung. Besonders bei den jungen Frauen scheint das Interesse zu schwinden. Ihr Anteil beträgt nur rund 37 Prozent an allen neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Ist die betriebliche Ausbildung nicht mehr attraktiv, vor allem nicht mehr für Frauen?
Eine betriebliche Ausbildung und allemal eine im Handwerk ist attraktiver denn je. Alle Zukunftsaufgaben wie etwa Klimaschutz, Energie- und Mobilitätswende, SmartHome oder der analoge wie digitale Infrastrukturausbau werden sich nur mit beruflich qualifizierten Handwerkerinnen und Handwerkern umsetzen lassen. Die Arbeit wird hier sicher in den nächsten Jahren nicht ausgehen. Junge Menschen, die eine duale Ausbildung starten, legen damit einen sicheren Grundstein für die eigene Berufskarriere mit hervorragenden Entwicklungsperspektiven und Karrieremöglichkeiten. Tatsächlich ist es heute so, dass die berufliche Bildung Perspektiven eröffnet, die mancher akademische Weg nicht mehr bieten kann, etwa wenn es um die Arbeitsplatzsicherheit oder Möglichkeiten zur Selbstständigkeit geht. In kaum einem anderen Wirtschaftsbereich etwa kann man so jung sein eigener Chef bzw. seine eigene Chefin werden und einen Betrieb leiten wie im Handwerk. Dass sich das herumspricht, darauf deutet die steigende Zahl von Studienaussteigern und Schulabgängerinnen und Schulabgängern mit Hochschulzugangsberechtigung hin, die den Weg in Handwerksbetriebe finden.
Es gibt keinen Ausbildungsberuf, der nur für Frauen oder nur für Männer gemacht ist, auch nicht im Handwerk. Immer noch bestehende tradierte Rollenklischees gilt es aufzubrechen. Handwerkliche Fähigkeiten machen keinen Stopp vor dem Geschlecht. Die besondere Herausforderung der Zukunft besteht darin, mittels einer geschlechterneutralen Berufsorientierung und Ansprache der Betriebe insbesondere junge Frauen für eine betriebliche Ausbildung zu gewinnen. Rollenvorbilder, wie in unserer Imagekampagne sollen junge Frauen anregen ihre Berufswünsche neu auszurichten.
In Wirtschaftssektoren mit MINT-Bezug, wie z.B. im Bereich Metall- und Elektro, wird traditionell viel ausgebildet, ebenso wie in der Bauwirtschaft. (Ausbildungsbetriebsquoten 2018: Metall/Elektro 33,1 %, Maschinen-/Automobilbau: 35,1 %, Bau: 26,8 %, Chemie/Pharmazie: 29,8 %). Dort finden sich gleichzeitig auch die Berufe mit den höchsten Männeranteilen. Tun die Unternehmen zu wenig für den weiblichen Nachwuchs?
Die genannten Wirtschaftsbereiche waren bisher stark männlich geprägt und sind mit entsprechenden Rollenklischees behaftet. Arbeitsprozesse und technische Arbeitsgeräte haben sich in vielen Bereichen jedoch stark gewandelt, die körperlichen Belastungen sind auch durch den digitalen Wandel geringer geworden. Insofern verlieren Argumente einer in diesen Berufen erforderlichen „Muskelkraft“ immer mehr an Bedeutung. Letztlich kommt es jedoch darauf an, dass wir in der Gesellschaft und auch in den Betrieben selbst umdenken. Handwerkerinnen kämpfen vielfach noch gegen veraltete Klischees. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir Mädchen stärker ermutigen, ihre Berufswahl jenseits starrer Rollenmuster zu treffen. Wichtig ist, dass wir Handwerkerinnen sichtbarer machen. Junge Frauen brauchen Vorbilder, an denen sie sich orientieren können und die ihnen zeigen, dass Frauen ihre handwerklichen Talente, technischen Interessen und Führungsqualitäten im Handwerk entfalten können. Ebenso wichtig sind Entwicklungsangebote, die den weiblichen Nachwuchs gezielt fördern und Frauen in ihrem Aufstiegsverhalten stärken. Nur so können wir gut qualifizierte Frauen an das Handwerk binden. Erfolgreich sind vor allem die Betriebe, die Chancengleichheit in der Unternehmenskultur verankern und gendersensibler kommunizieren. Das erfordert ein Umdenken bei der Personalentwicklung von der Bewerbung bis zur Förderung. Einfluss darauf haben auch die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsklima vor Ort in den Betrieben. Und tatsächlich verändern sich die Muster in zahlreichen Berufen: Raumausstatterbetriebe, Augenoptikerbetriebe und Bestattungsunternehmen – um nur einige Beispiele zu nennen - bilden heute mehr Frauen als Männer aus. Auch bei den Orthopädietechniker- und Orthopädieschuhmacherbetrieben sind fast die Hälfte der Auszubildenden weiblich. Zu den Top 10 der Ausbildungsberufe bei Mädchen und jungen Frauen gehören Kraftfahrzeugmechantronikerin, Tischlerin und Maler- und Lackiererin. Gelingt es, Bereiche mit stark männlich dominierten Berufen aufzubrechen, finden sich zukünftig auch mehr Frauen, die Interesse haben, in diesen Bereichen zu arbeiten.
Welche Rolle spielen Ausbilderinnen aus Ihrer Sicht für die Gewinnung von jungen Frauen? Brauchen wir in gewerblich-technischen Berufen mehr Ausbilderinnen?
Ausbilderinnen haben immer Vorbildfunktion, insofern brauchen wir mehr weibliche Ausbilderinnen. Je mehr wir von diesen in gewerblich-technischen Berufen und in MINT-Berufen haben, umso besser kann es uns gelingen, junge Frauen für diese Tätigkeitsfelder zu begeistern. Mehr Ausbilderinnen zu gewinnen setzt voraus, mehr junge Frauen auszubilden und diese im Betrieb zu halten und gleichzeitig deren Potentiale als Ausbilderinnen zu nutzen.
Was raten Sie Betrieben, die gezielt Frauen als Ausbilderin oder Meisterin gewinnen wollen?
Das ist zunächst eine personalstrategische Überlegung. Ein erster Schritt ist die Ausbildung junger Frauen. Schon das kann eine Herausforderung für einen männertypischen Betrieb sein. Hier heißt es, das ganze Team „mitzunehmen“, die Stellenbeschreibung so zu formulieren, dass sich auch Frauen willkommen und angesprochen fühlen: etwa durch Bildmotive, die einen Eindruck vom Arbeitsalltag mit seinen technischen, kreativen und sozialverantwortlichen Aspekten geben, durch die Darstellung des Gewerkes im Zusammenhang mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten oder durch die Beschreibung der Tätigkeiten durch Auszubildende. Weibliche Ausbilderinnen in technischen Bereichen einzusetzen, sollte strategisch angegangen. Zusammen mit den künftigen Ausbilderinnen sollten die Erwartungen und Rahmenbedingungen abgesteckt werden. Wie das geht, zeigt die Handlungsempfehlung zur Rekrutierung von Frauen des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA), ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln.
Vor allem in kleinen Unternehmen kann der Ausbildung aus Kapazitätsgründen manchmal nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt werden. Aber auch in größeren Unternehmen hängt vieles in der Ausbildung vom Engagement der Ausbildenden ab. Wird die Tätigkeit des Ausbildens zu wenig wertgeschätzt in Unternehmen?
Das Handwerk bildet überdurchschnittlich aus, was sich in der Ausbildungsquote von fast 8 Prozent im Vergleich zur Gesamtwirtschaft von 4,8 Prozent niederschlägt. Das geht nicht ohne qualifiziertes Ausbildungspersonal. Daher hat sich das Handwerk für den Teil IV – Ausbildereignungsprüfung - in der Meisterprüfung stark gemacht. Damit findet eine Wertschätzung der Ausbilder statt.
Nur vergleichsweise wenige Frauen absolvieren die Meisterinnenprüfung. Was tut der ZDH, um mehr Frauen für die Meisterinnenlaufbahn zu begeistern?
Insgesamt beträgt der Anteil der Frauen, die eine Meisterprüfung ablegen, in allen Gewerken 17,9 Prozent. Das entspricht in etwa dem Frauenanteil in der Gesellenprüfung. Wir arbeiten daran, dass sich der Frauenanteil sowohl bei Ausbildungen wie Meisterprüfungen erhöht. Der ZDH setzt sich dafür ein, Frauen die vielfältigen Möglichkeiten für individuelle Karrieren aufzuzeigen und ihnen den Weg dahin zu ebnen. Frauen werden gerade auch über die Social Media Kanäle und unsere Imagekampagne ermutigt, MINT-Bereiche für sich zu entdecken. Viele Kampagnenbotschafterinnen finden sich in den TV-Spots und auf Plakaten wie etwa die Elektronikerin Carina Hardes. Das zeigt anderen Frauen, was im Handwerk besonders auch für Frauen möglich ist und welche Potenziale hier liegen.
Das Handwerk braucht noch mehr Frauen: nicht nur als Meisterinnen, auch als Gesellinnen, Ausbilderinnen und insbesondere Unternehmerinnen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Gewinnung von Frauen in den zulassungspflichtigen Handwerken (A), wo sie noch unterrepräsentiert sind.
Der ZDH engagiert sich in Initiativen zur Chancengleichheit in der Handwerksorganisation, so auch in der Bundesinitiative Klischeefrei, in verschiedenen MINT-Initiativen sowie regionalen und bundesweiten Frauen-Netzwerken in Handwerk und Wirtschaft. Frauen sollen frühzeitig angesprochen werden, beginnend mit einer geschlechterneutralen Berufsorientierung bis zur Begleitung von Karrierewegen und Existenzgründungen. Im Netzwerk „Unternehmerfrauen im Handwerk“ können sich Frauen bundesweit austauschen und weiterbilden. Auf Spitzenebene findet mit den Unternehmerfrauen im Handwerk u.a. regelmäßig ein Austausch statt.
Ein weiterer Baustein der Förderung von Frauen, aber auch Männern ist die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Der ZDH ist Partner im Netzwerk Erfolgsfaktor Familie. Nicht nur große Unternehmen, auch kleine Unternehmen im Handwerk verfügen über viele Möglichkeiten, mit einer geschlechtergerechten Unternehmenskultur gezielt weibliche Nachwuchs- und Fachkräfte zu ermutigen und zu fördern.