Drastischer Preisanstieg bei Baumaterialien

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Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sprach im Interview mit Thomas Schmidtutz vom Münchner Merkur über die teils existenziellen Folgen des drastischen Preisanstiegs bei Baumaterialien für Handwerksbetriebe.
Herr Wollseifer, die Preise für Baumaterial wie Holz, Dämmmaterial oder Kupfer sind zuletzt teils drastisch gestiegen. Haben Sie solche Preissteigerungen schon mal erlebt?
Zur Mitte der Nullerjahre gab es bei den Nichteisenmetallen schon einmal eine ähnliche Problemlage. Aber in der Breite der betroffenen Materialien und Produkte habe ich einen derart exorbitanten Preisanstieg bei Baumaterialien innerhalb eines solch kurzen Zeitraumes in meinem über vierzigjährigen Berufsleben tatsächlich noch nicht erlebt, das ist einmalig.
Was bedeutet das für die Handwerksbetriebe am Bau?
Das stellt vor allem die Bereiche des Handwerks vor enorme Probleme, die die Pandemie bislang vergleichsweise gut überstanden haben und derzeit gut laufen, nämlich die Bau- und Ausbaugewerke. Sowohl bei der Preiskalkulation wie auch der Termineinhaltung bringt das die Betriebe in eine äußerst missliche Lage. Weil das Material teils gar nicht rechtzeitig zu bekommen ist, können die Betriebe Termine nicht einhalten. Und weil die Preise so kurzfristig gestiegen sind, klafft da jetzt häufig ein großes Loch zwischen der ursprünglichen Preiskalkulation im Angebot und den nun extrem höheren Kosten beim Materialeinkauf. Wenn Betriebe den Vertrag ohne eine Anpassung an die neuen Kosten erfüllen müssen, machen sie faktisch Verluste. Im privaten Bereich bestehen für solche Nachverhandlungen vielleicht noch gewisse Möglichkeiten zwischen den Vertragspartnern. Aber bei öffentlichen Vergaben müssen hierfür vorab sogenannte Preisgleitklauseln vereinbart worden sein und auch greifen – was in der Regel nicht der Fall ist.
Wie schlimm ist die Lage inzwischen?
Das lässt sich aktuell nicht genau beziffern. Aber die Rückmeldungen aus den Betrieben und auch aus unseren Kammern und Verbänden zeigen, dass diese Entwicklung für nicht wenige Betriebe inzwischen zu einem existenziellen Problem geworden ist. Angesichts einer nicht zuletzt wegen der Pandemie angespannten Eigenkapitaldecke können das viele Betriebe nicht abpuffern.
Aber können die Handwerksbetriebe die Preisanstiege beim Material nicht einfach über entsprechende Klauseln an den Bauherrn bzw. Auftraggeber weitergeben?
Das ist in der Tat dann möglich, wenn solche Klauseln Vertragsbestandteil sind. Aber das ist bei bestehenden Verträgen aktuell kaum der Fall. Außerdem muss bei Preisgleitklauseln in öffentlichen Aufträgen auch der Auftragnehmer grundsätzlich einen eigenen Anteil an den Mehrkostenbelastungen tragen. Wir prüfen derzeit, ob und inwieweit Preisgleitklauseln problementschärfend genutzt werden können und die öffentliche Hand als Auftraggeber zusätzliche Preisspielräume eröffnen muss. Keinesfalls darf es dazu kommen, dass Handwerksbetriebe, die auf Grund der aktuellen und akuten Materialengpässe in Leistungsverzug geraten, hierfür zusätzlich mit Vertragssanktionen belegt werden.
Was kann man da machen? (Nachverhandlung etc?)
Es ist sicherlich jeden Versuch Wert, mit den Auftraggebern nachzuverhandeln. Ich werbe an dieser Stelle auch für Verständnis bei den Kunden, wenn wegen der unverschuldeten Kostensteigerungen entsprechende Preisanpassungen nötig sind. Ein Auftraggeber hätte auch nichts gewonnen, wenn der Handwerksbetrieb während der Vertragsausführung an seine wirtschaftlichen Grenzen stößt und das Bauvorhaben unvollendet bleibt. Das wäre dann auch für private Bauherren ein großes, nicht zuletzt wirtschaftliches Risiko.
Und wenn die Auftraggeber den Handwerkern nicht entgegenkommen, droht den Betrieben schlimmstenfalls….?
Schlimmstenfalls Kurzarbeit und Insolvenz, was geradezu widersinnig ist, weil die Auftragsbücher eigentlich gut gefüllt sind. Manche Betriebe mit vollem Auftragsbuch mussten schon Kurzarbeit anmelden, weil das Material einfach nicht zu beschaffen war. Zimmerer berichten über erste Baustellen, denen wegen Materialmangel ein Baustopp droht. Und leider können vor diesem Hintergrund auch Insolenzen nicht gänzlich ausgeschlossen werden, die dann mehrheitlich an sich gesunde Betriebe betreffen würden. Das ist schon eine mehr als abwegige Situation.
Muss der Staat hier unterstützen (staatlicher Exportstopp z.B. für Holz, staatliche Zuschüsse für Betriebe etc.)?
Sollte sich die Lage für unsere Betriebe weiter verschärfen, sollten angesichts der wirklich sehr angespannten Situation zumindest interimsmäßig Exportbeschränkungen angedacht werden. Auch kurzfristig gibt es Dinge, die geregelt werden können. So hat die Bundesregierung gerade erst Holzeinschlagsbegrenzungen verlängert. Das mag unter naturschutz- und umweltspezifischen Vorzeichen nachvollziehbar sein, geht jedoch an den wirtschaftlichen Realitäten gänzlich vorbei. In dieser außergewöhnlichen Situation erwarten wir zudem von den öffentlichen Auftraggebern, dass sie davon absehen, ihre handwerklichen Auftragnehmer mit Vertragssanktionen zu belegen, wenn es wegen der aktuellen Krisenlage bei den Bauprodukten zu Verzögerungen bei der Vertragserfüllung kommt.
Im vergangenen Jahr hat das zulassungspflichtige Handwerk trotz Corona ein Umsatzplus von insgesamt 1,4 Prozent erreicht. Die Entwicklung war vor allem von den starken Zuwächsen im Bauhaupt- und Ausbau-Gewerbe getrieben. Was erwarten Sie für 2021: Wird es für ein erneutes Plus am Bau reichen?
Der Jahresstart am Bau war von Witterungsbeeinträchtigungen geprägt, nun werden die Bauabläufe teilweise durch Materialengpässe beeinträchtigt. Zudem gab es massive Vorzieheffekte in das Jahr 2020, um noch von den geringeren Mehrwertsteuersätzen zu profitieren. Das alles belastet die Umsätze der Baubetriebe, die 2021 mit einem deutlich kleineren Umsatzplus abschließen werden. Abhängig davon, ob sich die aktuellen Materialengpässe relativ zeitnah auflösen, erwarten wir aktuell für die Bauhauptgewerke ein Umsatzplus von etwa 2 Prozent bis zum Jahresende.