Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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14.09.2020

"Die Betriebe versuchen nach Kräften, sich am Markt zu halten"

ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer äußert sich gegenüber Andreas Hoenig von der "dpa" zur sechsten ZDH-Sonderumfrage zu den Auswirkungen von Corona:
Portraitfoto von Hans Peter Wollseifer in seinem Büro im Haus des Deutschen Handwerks in Berlin

ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer äußert sich gegenüber Andreas Hoenig von der "dpa" zur sechsten ZDH-Sonderumfrage zu den Auswirkungen von Corona:

"Auch die aktuelle Corona-Sonderumfrage zeigt erneut eine maximale Spannbreite der Betroffenheit im Handwerk: Es gibt Betriebe mit einem Totalausfall bei Geschäftstätigkeit und folglich Umsatz, bei denen auch in den nächsten Monaten keine Besserung in Sicht ist, weil etwa Veranstaltungen oder Messen nicht stattfinden. Es reicht von Betrieben mit gravierenden Umsatzeinbußen bis hin zu einer doch bemerkenswerten Anzahl an Betrieben, die laut Umfrage kaum bis keine Auswirkungen gespürt haben. Und da sind sogar einige wenige Betriebe, die ihre Umsätze steigern konnten. Ein einheitliches Betroffenheitsbild vom Handwerk gibt es somit nicht. Doch für das Gesamthandwerk ist es leider schon so, dass Corona den guten Lauf zu Jahresanfang jäh ausgebremst hat, und wir das Jahr 2020 – erstmals seit 2013 – voraussichtlich mit einem Umsatzrückgang abschließen werden.

Die seit Pandemiebeginn bei fast der Hälfte der Betriebe deutlich verschlechterte Eigenkapitalsituation ist ein Warnzeichen. Dieses Alarmzeichen sollten alle sehr ernst nehmen und wirklich alles tun, um einen erneuten Lockdown zu vermeiden. Für viele Betriebe, die jetzt eine Chance auf ein Überleben haben und langsam wieder in Tritt kommen, würde ein weiterer flächendeckender Lockdown das endgültige Aus bedeuten, auch weil es einen fundamentalen Unterschied zum ersten Lockdown gibt: In den sind die Betriebe noch mit einer gewissen Eigenkapitaldecke gegangen. Käme es zu einem erneuten Lockdown, wäre diese Eigenkapitaldecke bei einigen Betrieben bestenfalls löchrig, aber in den meisten Fällen stünde sie den Betrieben gar nicht mehr zur Verfügung. Noch schneller als beim ersten Lockdown wären ganz viele Betriebe zahlungsunfähig und damit pleite.

Handwerk als Stabilitätsanker

Die Umfrageergebnisse spiegeln vor allem auch die große Kreativität und Flexibilität des Handwerks wider. Die Betriebe versuchen nach Kräften, sich am Markt zu halten. Den Kopf in den Sand zu stecken, das zeigt diese Umfrage einmal mehr, das ist nicht die Sache von Handwerkerinnen und Handwerkern. Auf die Pandemie reagieren sie ganz überwiegend anpackend und immer mit dem Ziel, ihren Betrieb und ihre Mitarbeiter zu halten. Dafür werden Produktionen angepasst,  Geschäftsmodelle weiterentwickelt oder ganz neu aufgesetzt. Und ergänzend dazu werden auch die Unterstützungsmaßnahmen genutzt oder finanzielle Mittel oder Kredite beantragt. Diese Flexibilität und dieser Mix aus Aktivitäten und Instrumenten macht das Handwerk nach wie vor – selbst in der Krise – zu einem Stabilitätsanker. Umso mehr, als zahlreiche Handwerke das Land während der Pandemiemonate am Laufen gehalten haben: etwa im Bereich Reinigung und Desinfektion, in der Lebensmittelversorgung oder bei technischen Wartungen.

Mit Blick auf die nach wie vor nicht absehbare Entwicklung der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen ist es durchaus konsequent und weiter wichtig, mit staatlichen Hilfsmaßnahmen den Betrieben unter die Arme zu greifen. Beinahe jeder dritte Betriebe sieht weiteren Handlungsbedarf für staatliche Hilfen. Und die müssen möglichst unbürokratisch und vor allem rasch beantragt werden können.

Maßnahmen, um Eigenkapitel zu stärken

Die Corona-Pandemie hat mehr als deutlich gemacht, dass wir Betriebe und Unternehmen darin unterstützen müssen, Krisenresilienz und Widerstandskraft aufzubauen. Wir sehen dringenden Bedarf an Unterstützungsmaßnahmen, mit denen Eigenkapital gestärkt wird. Beispielsweise könnten und sollten die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften eine wichtige Rolle einnehmen, um eine Eigenkapitalstärkung der Betriebe zu erreichen. Den großen Unternehmen wie Lufthansa oder Tui wurde über Staatsbeteiligungen geholfen. Da sollte man doch wohl auch für die kleinen und mittleren Unternehmen Beteiligungsformen finden, mit denen sich das Eigenkapital wieder erhöhen lässt.

Bislang waren es nicht zuletzt auch steuerliche Hemmnisse, die Betriebe daran gehindert haben, ein dickeres Eigenkapitalpolster anzulegen: Die Thesaurierungsrücklage muss endlich mittelstandsfreundlich weiterentwickelt werden, damit bei Personengesellschaften mehr Liquidität für dringend notwendige Investitionen bleibt. Belastungen etwa durch Sozialabgaben müssen heruntergefahren werden, nicht zuletzt auch deshalb, damit Betriebe die Chance und die nötigen Mittel haben, Eigenkapital aufzubauen. Die Liquiditätsdecke muss dicker werden.

Alle politischen Maßnahmen nützen jedoch nichts, wenn sich nicht alle an die nötigen Abstands- und Hygieneregeln halten und damit ihren Beitrag leisten, um die Ausbreitung des Virus zu unterbinden und einen erneuten Lockdown zu verhindern. Vordergründig mag es um den Gesundheitsschutz gehen, doch in einer Pandemie ist ein solches Verhalten auch die Voraussetzung dafür, Beschäftigung und wirtschaftliche Aktivitäten zu ermöglichen und zu sichern."

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