Corona hat gezeigt: Kreativität und das Anpackende im Handwerk

Foto: ZDH/Boris Trenkel
ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer spricht mit Volker Weinl von der "Bild am Sonntag" über die Auswirkungen der Corona-Krise und darüber, an welcher Stelle sich Corona als Innovationstreiber erwiesen hat.
Hat Corona Ihnen ins Handwerk gepfuscht? Wie ist das Handwerk durch die Krise gekommen? Können Sie Zahlen nennen?
Eines ist durchweg im Handwerk zu spüren: Unsere Betriebe sind fest entschlossen, sich von Corona eben nicht ins Handwerk pfuschen zu lassen. Gerade in der schwierigsten Corona-Phase haben viele Handwerker dazu beigetragen, Deutschland am Laufen zu halten – etwa im Bereich Reinigung und Desinfektion, in der Lebensmittelversorgung oder bei technischen Wartungen. Seit den Lockerungen arbeiten die Betriebe nach Kräften daran, wieder zu einem geregelten Geschäftsalltag zurückzukommen – natürlich bei entsprechendem Hygiene- und Gesundheitsschutz. Doch die Umsätze aus dem Lockdown lassen sich kaum nachholen. Und von normal kann immer noch keine Rede sein. Ein verändertes Verbraucherverhalten, umfangreiche Hygieneauflagen, haben Umsätze teils heftig zurückgehen lassen. Der Kassensturz dürfte bei vielen Betrieben am Jahresende leider nicht allzu rosig ausfallen.
Führt der Konjunktureinbruch in Deutschland auch zu Einbrüchen in der Auftragslage?
Corona hat den guten Lauf des Handwerks zu Jahresanfang jäh ausgebremst, allerdings unterschiedlich stark. Stillstand mit komplettem Umsatzausfall wegen Auftragsstornierungen gab es im Messebau und Veranstaltungs- und Cateringbereich. Derzeit ist nicht abzusehen, wann es besser wird. Eher leichte oder gar keine Bremsspuren hatten die Bau- und Ausbaugewerke, die im Lockdown Auftragsbestände abgearbeitet haben. Doch derzeit bleiben neue Aufträge aus. Die Sorge ist hier groß, zeitversetzt in die Krise zu rutschen. Damit das nicht passiert, sollte die Öffentliche Hand Vorbild sein und Aufträge vergeben: Bei Schul- und Straßensanierungen gibt es schließlich genug zu tun.
Wie sah und sieht die Situation für Handwerker, die ins Haus kommen, und ihre Kunden aus? Hatten Kunden Angst vor Ansteckung und gingen Reparaturen im Zweifel lieber selbst an?
Kunden wollten während der Phase des Lockdowns nur dann Handwerker in ihre Wohnungen und Häuser lassen, wenn es für dringende Reparaturen unbedingt nötig war. Das hat sich gebessert, aber die Kunden sind weiter verhalten. Das müssen sie nicht. Die Betriebe haben Hygienekonzepte ausgearbeitet, um Kunden und Mitarbeiter zu schützen. Schon aus Eigeninteresse - schließlich sind sie auf gesunde Mitarbeiter angewiesen. Für Kunden gibt es also keinen Grund, einen Handwerker nicht zu beauftragen. Nur weil Corona ist, sollte man es auf Eigenreparaturversuche besser nicht ankommen lassen.
Kann im Handwerk trotz Corona ausgebildet werden? Wo werden noch Azubis gesucht?
Ein klares Ja! Ausbildung ist Herzenssache im Handwerk, das Engagement der Betriebe ungebrochen. Corona hat es nur schwieriger gemacht, Betriebe und Jugendliche zusammenzubringen. Ausbildungsmessen, Praktika, Berufsorientierung in der Schule – all das ist ausgefallen. Fast 30.000 Lehrstellen in nahezu allen Gewerken sind noch unbesetzt. Wer eine Ausbildung starten will, der kann das auch jetzt noch - und sollte es: Handwerker*innen werden in allen Bereichen gebraucht, die unsere Zukunft langfristig bestimmen: Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Mobilität, kreatives Wohnen, gesundes Leben. Am Tag des Handwerks kann man diese ganze Vielfalt erleben und einen Eindruck von der Power dieses Wirtschaftsbereiches bekommen.
Eröffnet die Corona-Situation auch neue Chancen für Innovationen oder ganz neue Anfragen von Kunden? (Etwa: Installation besserer Belüftungen o.ä. …)
Wenn Corona eines gezeigt hat, dann die Kreativität und das Anpackende im Handwerk. Da haben Maßschneider eben keine Maßanzüge, sondern Schutzmasken genäht. Da haben Tischler Spuckschutzwände für Supermärkte und Apotheken gebaut. Und an einer Stelle hat sich Corona tatsächlich als Innovationstreiber erwiesen und zu einem kräftigen Digitalisierungs-Schub geführt. Wo kein persönlicher Kontakt möglich war, haben Betriebe auf Onlinekommunikation mit Kunden und Geschäftspartnern gesetzt.